Haarausfall (Alopezie) kann - wie fast alle Erkrankungen - verschiedene Ursachen haben.
So z.B. die endokrine Alopezie, d.h. der Haarausfall ist hormonell bedingt, etwa aufgrund eines Defizits oder fehlenden Gleichgewichts in der Produktion von Geschlechtshormonen. Die frühere Annahme, der Haarausfall sei durch eine Unterfunktion der Schilddrüse bedingt, konnte nicht bestätigt werden.
Hormonell bedingte Alopezie
Diese Krankheit tritt nur bei kastrierten Katzen auf, überwiegend bei männlichen Tieren. Das klinische Bild - symmetrischer Haarausfall an prädisponierten Stellen - erlaubt eine relativ einfache Diagnose.
Typischerweise beginnt der Haarausfall beidseits und symmetrisch in der Gegend der Geschlechtsorgane und an der Hinterseite der Oberschenkel. Während das Fell deutlich dünner wird und sich die Haare leicht ausziehen lassen, werden äußerlich erkennbare Veränderungen der Haut nur selten festgestellt. Später können auch die Innenseite der Oberschenkel und die Bauchunterseite davon betroffen sein.
Der Haarausfall kann sich auch am Schwanzansatz und in chronischen Fällen seitlich an der Brustwand sowie an der Innenseite der Vordergliedmaßen zeigen. Juckreiz besteht nur ausnahmsweise; manchmal sind jedoch ein ausgeprägter Leckreiz und sekundäre Hautveränderungen vorhanden.
Diagnosestellung
Das Erscheinungsbild sowie die Tatsache, dass es sich um eine kastrierte Katze handelt, erleichtern die Diagnosestellung. Auch die Therapie gestaltet sich in den meisten Fällen als erfolgreich. Den betroffenen Katzen werden die unzureichend vorhandenen Hormone alle 4 bis 6 Wochen in Form einer Depotspritze injiziert. Es ist aber auch möglich (und genauso wirksam), den Tieren jeden zweiten Tag bis zum Nachwachsen der Haare Tabletten zu verabreichen. Anschließend erhalten die Katzen über einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen zweimal wöchentlich eine Erhaltungsdosis.
Gegebenenfalls ist es erforderlich, die Hormone kontinuierlich einmal pro Woche zuzuführen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung von Hormonen nicht immer frei von Nebenwirkungen ist. So können zeitweise ein Urinspritzen bei Katern sowie ein unangenehmer Geruch des Urins auftreten bzw. bei weiblichen Tieren Symptome der Rolligkeit. Darüber hinaus kann es zu Gewichtszunahme und psychischen Veränderungen kommen (die Tiere wirken etwas gedämpft). Gelegentlich zeigt sich eine übermäßige Aufnahme von Wasser oder eine Anbildung des Gesäugekomplexes.
Insgesamt gilt eben auch hier: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Der Erfolg der Therapie überwiegt jedoch bei weitem; die unerwünschten Begleiterscheinungen werden in der Praxis selten nachgewiesen.
Psychogen bedingte Alopezie
Davon abzugrenzen ist die psychogen bedingte Alopezie, die sich in zwei Erscheinungsformen darstellt. Durch intensives Lecken an befallenen Stellen erscheint die Haut haarlos, gerötet, feucht oder auch ulzeriert. Alle mit der Zunge gut erreichbaren Körperpartien kommen dabei in Frage.
Daneben existiert eine weitere Form der Alopezie, bei der sich die Katzen zwar auch ausgiebig lecken und ihr Fell intensiv pflegen, die Haut jedoch weniger gereizt wird. Bevorzugte Leckobjekte sind in diesem Fall Rücken, Kruppe, Genital- und Perianalgegend, Unterbauch und Oberschenkel. Der extreme Leckreiz wird häufig als Juckreiz ausgelegt. Katzen jeden Alters und jeder Rasse können daran erkranken.
Für die Diagnose ist der Bericht des Katzenbesitzers (ausgeprägter Leckreiz an bestimmten Körperstellen) entscheidend. Auch Hautveränderungen und abgebrochene Haare sichern den Befund. Eine Pilzerkrankung, die durch ähnliche klinische Symptome gekennzeichnet ist, muss labordiagnostisch ausgeschlossen werden.
Ursachenforschung als Grundlage für die Therapie
Die psychogen bedingte Alopezie ähnelt im klinischen Bild der endokrinen Alopezie, bei letzterer können jedoch, wie bereits oben erwähnt, die Haare leicht entfernt werden. Die psychische Alopezie spricht weder auf die Therapie mit Kortison an noch auf die hormonelle Behandlung.
Für eine optimale Therapie steht die Suche nach der Ursache dieser Zwangsneurose im Vordergrund. Psychische Störungen kommen bei Katzen nicht selten vor. Eine Veränderung in der Umgebung, z.B. durch Umzug, zählt ebenso dazu wie Familienzuwachs (Eifersucht!) oder fremde Katzen, die das Revier streitig machen wollen.
Ein Halskragen kann die Katzen rein mechanisch am Lecken hindern; die meisten Samtpfoten lehnen diesen jedoch kategorisch ab und reagieren extrem hysterisch auf diesen Fremdkörper, so dass dieser als zusätzlicher Stressor die Situation nur noch verschlimmert. Zentral dämpfende Medikamente können zumindest zeitweise hilfreich sein, oder auch die Injektion von Depothormonen zwei Wochen lang mit anschließender ausschleichender Erhaltungsdosis.
Eine endgültige Heilung dieser Zwangsneurose ist nur dann möglich, wenn die eigentliche Ursache abgestellt werden kann, aber gerade psychische Ursachen sind meist nicht einfach zu ermitteln, so dass viel Geduld aufgebracht werden muss.
Von Dr. Astrid Heinl, Aschenheim, © "Our Cats"
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