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Schilddrüsenfehlfunktion bei der Katze: Hypothyreose / Hyperthyreose

Die Schilddrüse stellt das lebenswichtige Hormon Thyroxin her. Es steuert Wachstum und Entwicklung der Kätzchen und bringt bei der erwachsenen Katze den Stoffwechsel in Schwung.

Ein Übermaß an Thyroxin jedoch treibt die Organe so unerbittlich zu Höchstleistungen an, dass die Reserven der Katze bald erschöpft sind, wenn der Tierarzt nicht eingreift.

SDÜ bei Katzen

Der Schein trügt

Die meisten Besitzer sind anfangs erfreut: Ihrer schon etwas älteren Katze merkt man auf einmal die Jahre nicht mehr an. Der Stubentiger hat einen gewaltigen Appetit und ist lebhaft wie nie zuvor. Doch nach einigen Wochen weicht die Freude der Sorge, denn gleichgültig, wie viel Nahrung das Tier zu sich nimmt, es verliert dramatisch an Gewicht. Die Katze trinkt wesentlich mehr als früher, sie erbricht sich häufig, ihr Fell wird stumpf und manchmal hechelt sie.

Pausenlos auf Hochtouren

So oder so ähnlich lautet der Vorbericht, den der Tierarzt zu hören bekommt, wenn ihm eine Katze mit einer Schilddrüsenüberfunktion (Fachbegriff: Hyperthyreose) vorgestellt wird Die Schilddrüse ist ein Organ am Hals in der Nähe des Kehlkopfes. Beim gesunden Tier ist sie so klein, dass man sie weder sehen noch tasten kann. Ihre Zellen stellen das Schilddrüsenhormon Thyroxin her und schütten es direkt ins Blut aus. Über die Blutbahn gelangt das Thyroxin zu allen Organen.

Bei der Untersuchung in der Praxis stellt der Tierarzt weitere Symptome fest. Das Herz der Katze rast, sie ist unruhig und gleichzeitig schwach. Manchmal kann er eine vergrößerte Schilddrüse ertasten. Doch ohne eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des Schilddrüsenhormons Thyroxin im Blut bleibt die Diagnose vage. Eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs ergänzt die Untersuchung.

Mittels Ultraschall und Szintigraphie kann man die Schilddrüse sogar sichtbar machen. Doch beide Untersuchungsmethoden erfordern teures medizinisches Gerät und Spezialwissen, sodass sie in der normalen Tierarztpraxis nicht angewandt werden.

Das Schilddrüsenhormon Thyroxin erfüllt, wie andere Hormone auch, lebenswichtige Aufgaben im Körper. Hormone sind die Botenstoffe des Organismus. Sie wirken bereits in äußerst geringen Mengen und regeln die reibungslose Zusammenarbeit der Organe, Muskeln und Nerven miteinander.

Thyroxin ist vor allem für die Steigerung des Stoffwechsels verantwortlich, d.h., es fördert die Verbrennung von Zucker und Fett, um Energie zu gewinnen. Diese Energie wird gebraucht, damit Organe, Muskeln und Nerven, kurz der ganze Organismus, arbeiten können.

Auch eine Unterfunktion hat fatale Folgen

Zu wenig Thyroxin führt also zu einem Mangel an Energie, was während des Wachstums fatale Folgen hat. Jungtiere, denen das Schilddrüsenhormon fehlt, bleiben in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung zurück. Erwachsene Tiere machen einen schlappen Eindruck, suchen Wärme und werden dick, da das Körperfett nicht mehr abgebaut wird. Bei Katzen ist der Mangel an Schilddrüsenhormon allerdings seltener.

Anders die Schilddrüsenüberfunktion. In den USA gehen die Tierärzte sogar davon aus, dass es sich bei der Hyperthyreose um die häufigste Hormonstörung bei älteren Katzen handelt. Meist steckt eine gutartige Gewebewucherung der Schilddrüse hinter der Erkrankung. Doch so gutartig die Wucherung auch sein mag - sie hat große und letztlich auch lebensbedrohliche Wirkungen. Denn das im Übermaß im Körper kreisende Thyroxin treibt die Organe unbarmherzig zur Arbeit an. Sie laufen pausenlos auf Hochtouren.

Unter enormem Sauerstoffverbrauch werden Fette und Kohlehydrate so schnell verbrannt, dass die Katze mit der Futteraufnahme nicht mehr Schritt halten kann. Sie hungert trotz des gefüllten Fressnapfes und magert rasant ab. Dieser Hungerzustand schädigt alle Organe. Gerade das Herz ist doppelt belastet, denn Thyroxin erhöht die Herzfrequenz, die Anzahl der Herzschläge pro Minute.

Das Herz ist doppelt belastet

Das "rasende" Herz aber braucht besonders viel Treibstoff in Form von Zucker und Sauerstoff - beides Mangelwaren beim Thyroxinüberschuss. Das Herz vergrößert sich und gerät aus dem Takt. Die Vergrößerung sieht der Tierarzt auf dem Röntgenbild des Brustkorbes und Herzrhythmusstörungen lassen sich im EKG beobachten. Aber auch Leber und Nieren werden in Mitleidenschaft gezogen.

Frühzeitige Erkennung und Behandlung

Wird eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) erst spät behandelt, können viele Organe, insbesondere das Herz, dauerhaft geschädigt sein. Darum ist es so wichtig, die Hyperthyreose möglichst früh zu erkennen und zu therapieren. An einer Überfunktion der Schilddrüse leiden meist Katzen, die älter als acht Jahre sind. Worauf man achten sollte:

  • Frisst die Katze deutlich mehr als früher?
  • Stürzt sie sich heißhungrig auf Nahrung, die sie sonst  verschmäht?
  • Stiehlt sie vom Tisch?
  • Magert sie trotz ihres enormen Futterkonsums ab?
  • Wird ihr Fell stumpf und struppig?
  • Trinkt die Katze auffällig mehr als früher?
  • Ist der Stubentiger nervös und reizbar?
  • Hechelt das Tier oft und wirkt es nach kleinen Anstrengungen erschöpft?
  • Sucht die Katze auch bei angenehmen Temperaturen kühle Plätze auf?
  • Erbricht sie sich oft?
  • Hat man beim Streicheln den Eindruck, dass das Herz der Katze ungewöhnlich schnell schlägt?
  • Hat sie faulig riechende Durchfälle?

All diese Symptome können auf eine Überfunktion der Schilddrüse hinweisen, können aber auch ganz andere Ursachen haben. Nur die Untersuchung beim Tierarzt bringt Gewissheit.

Doch den hyperthyreoten Katzen kann durch die Behandlung mit radioaktivem Jod geholfen werden. Die Strahlung vernichtet Schilddrüsenzellen und normalisiert den Thyroxinhaushalt.

Das Entfernen der Schilddrüse durch eine Operation heilt in den meisten Fällen die Hyperthyreose, ist aber bei älteren Katzen nicht ohne Risiko. Risikoärmer ist die Behandlung mit dem Medikament Thiamazol, das Thyroxin hemmt. Die Tabletten müssen ein Leben lang täglich gegeben werden. Doch wer seine Katze konsequent behandelt, wird belohnt. Nach ein paar Wochen ist der Stubentiger wieder ganz der Alte.

Strahlend gesund

Im Ruskin Animal Hospital in Florida werden Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion erfolgreich mit radioaktivem Jod behandelt. (Anmerkung der Webmasterin: Auch in der Uni-Klinik in Gießen sowie in der Tierklinik Norderstedt wird diese Therapie inzwischen durchgeführt, Näheres dazu unten in meinem Nachtrag!) Dr. Diana S. Ott und Dr. Hal E. Ott haben in der Tierklinik für diese Spezialbehandlung ein eigenes Zentrum eingerichtet: das Cat Thyroid Center.

Radioaktiv - wem laufen bei diesem Wort nicht Angstschauer über den Rücken. Doch radioaktive Strahlen können mehr als Unheil anrichten: Sie können auch heilen.

Nachdem immer mehr Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion in ihrer Praxis vorgestellt wurden, haben Dr. Hal E. Ott und Dr. Diana S. Ott vor zwei Jahren das Cat Thyroid Center in Ruskin, Florida, eingerichtet. Die beiden Otts waren mit den Ergebnissen der konventionellen Behandlungsarten der Schilddrüsenüberfunktion nicht zufrieden. Sie wollten den Katzen mit der Jod131-Therapie helfen, die auch beim Menschen bevorzugt zum Einsatz kommt. Bei dieser Behandlung, wird das "übereifrige" Schilddrüsengewebe zerstört. In Deutschland ist diese Therapie für Haustiere verboten (Anmerkung: nicht mehr, siehe Nachtrag!), in den USA aber unter strengen Auflagen erlaubt.

Der Vorteil der Therapie mit dem "strahlenden" Jod liegt darin, dass es nur ein- bis zweimal verabreicht werden muss und ohne Nebenwirkungen für die Katze ist. Allerdings muss die "strahlende” Katze so lange in Quarantäne, bis sie das radioaktive Jod auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden hat, damit sie Unbeteiligte nicht verstrahlt.

Im Cat Thyroid Center bemühen sich Tierärzte und Helfer, diese Zeit für die Katzen so angenehm wie möglich zu gestalten. Auf dem Speiseplan des Gourmet-Restaurants für die verwöhnte Katze können die Besitzer angeben, was ihrer Samtpfote das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Sei es auch noch so ungewöhnlich, wie Oliven oder Honigmelone, fast jeder kulinarische Wunsch wird erfüllt. Nur lebende Mäuse oder Frösche verweigern die Otts ihren Patienten - das widerspräche ihren ethischen Grundsätzen.

(c) Tierärztin Barbara Welsch

Nachtrag zur Strahlentherapie

Aufgrund strenger Strahlenschutzauflagen sowie aufwändiger Genehmigungsverfahren wurde die Radio-Jod-Therapie (RJT) lange Zeit in Deutschland nicht durchgeführt. Inzwischen wenden jedoch die Tierärzte der Uni Gießen diese Therapie an, und inzwischen wird sie auch in der Tierklinik Norderstedt bei Hamburg (siehe nach- stehende Linktipps) durchgeführt!

Das Prinzip einer Radio-Jod-Therapie ist einfach: Jod ist der zentrale Baustoff für das Hormon Thyroxin. Jodmangel führt zur Unterfunktion der Schilddrüse. Umgekehrt gilt jedoch nicht, dass je mehr Jod zur Verfügung steht, desto mehr Thyroxin hergestellt wird.

Die Ursache der Schilddrüsenüberfunktion ist meist eine gutartige Wucherung des Gewebes. Dieses überflüssige Gewebe muss beseitigt werden, damit die Hormon- produktion wieder auf ein normales Maß gedrosselt wird.

Genau das leistet das radioaktive Jod. Gelangt Jod in den Organismus, wird es in der Schilddrüse konzentriert. Statt des normalen Jods spritzen die Tierärzte der Katze das radioaktive Jod131. Dieses “strahlende” Jod vernichtet die Schilddrüsenzellen, die zu viel Thyroxin herstellen. Nun gelangt nur noch so viel Thyroxin ins Blut, wie der Körper braucht, und die Katze kann gesund werden.

Die Therapie ist für die Katzen sehr gut verträglich und hat kaum Nebenwirkungen. Und Gott sei Dank ist auch das bisher große Problem der strahlenschutzrechtlichen Verordnungen aus der Welt geschafft: Es war leider Vorschrift, dass die Katzen 2-3 Wochen stationär in einem Kontrollbereich untergebracht werden mussten, um zu gewährleisten, dass die Strahlenbelastung bis auf einen bestimmten Wert zurück ging. Es wurde aber intensiv an einer Richtline zum Strahlenschutz in der Veterinärmedizin gearbeitet, so dass der stationäre Aufenthalt inzwischen auf wenige Tage (zumeist 3) verkürzt werden konnte und dadurch die RJT in Deutschland mehr Verbreitung findet und die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.

Ein "Haken" bleibt dennoch bestehen: Die Therapie ist extrem kostspielig. Aber es bleibt zu hoffen, dass dies sich ändert, wenn die Therapie weitere Verbreitung findet.

Linktipps zum Thema:

Tierklinik-Norderstedt.de

www.catthyroid.com

 

Buchtipps zum Thema Katzenkrankheiten

Ratgeber zur Katzengesundheit

Fachliteratur Katzenmedizin

 

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