Hat meine Katze Zahnschmerzen? Nun, dies ist eine Frage, die sich leider nur selten zweifelsfrei beantworten lässt. Sicher ist jedenfalls, dass eine Katze ihrem Halter nicht bekunden kann, dass ihr beispielsweise der linke obere Reißzahn oder der rechte untere Bachenzahn weh tut. Somit geht die Verantwortung einer sorgfältigen Beobachtung und in der Folge richtigen Diagnose an den Besitzer bzw. an den untersuchenden Tierarzt.
Symptomatik von Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen
Was kann uns nun einen Hinweis darauf geben, dass Probleme in der Mundhöhle vorliegen? Finden sich Blutungen aus der Mundhöhle oder abgebrochene Zahnfragmente, so ist die Problematik schnell lokalisiert. In der Regel aber sind solch offensichtliche Befunde nicht vorhanden, die Auffälligkeiten sind eher unspezifischer Natur.
Bei der Nahrungsaufnahme kann sich dieses zeigen durch Fallenlassen des Futters, erschrecktes Aufschreien beim Fressen oder einfach nur in einer geringeren Futteraufnahme. Auch die plötzliche Vorliebe für nur Hart- oder nur Weichfutter kann ein Indiz sein. Vermehrtes Speicheln mit verklebtem Fell kann weiterhin auf einen krankhaften Reiz in der Mundhöhle hinweisen.
Andere Symptome sind der Versuch, mit der Pfote in die Mundhöhle zu kommen, wiederholtes Streichen mit der Pfote über das Gesicht oder das Entlangstreifen des Kopfes am Teppich oder an Gegenständen.
Spezifischere Auffälligkeiten sind Kopfschieflegen beim Fressen infolge einseitigen Kauens oder Zähneknirschen. Durch den langsamen, chronischen Charakter vieler Erkrankungen in der Mundhöhle sind Hinweise darauf jedoch leider häufig versteckt in einer unauffälligen, schleichenden Verhaltensänderung.
Die häufig unspezifische Symptomatik zeigt deutlich, dass eine detaillierte Untersuchung der Mundhöhle der einzige Weg ist, Erkrankungen der Zähne und Kiefer zu erkennen. Aufgrund der meist im Bereich der Wurzeln liegenden Problematik ist es in der Regel unumgänglich Einzelzahnröntgenaufnahmen anzufertigen. Durch diese können bei ca. 40% der Katzen sogar wichtige, zusätzliche und behandlungsbedürftige Befunde an klinisch unauffälligen Zähnen erhoben werden.
Dieses zieht für den Tierarzt ein hohes Maß an Verantwortung nach sich, der aus dem Vorbericht des Besitzers sowie der klinischen Mundhöhlenuntersuchung auf die Ursache der oralen Problematik schließen und ggf. allein schon zur weiteren Diagnostik eine Narkose durchführen muss.
Auf dem obigen Bild sieht man eine Gingivitis (Zahnfleischentzündung) im Ober- wie auch im Unterkiefer.
Dieses Bild zeigt eine sich auf umliegende Gewebe ausweitende Gingivitis sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer.
Das Foto zeigt eine Sondierung einer infolge Knochenabbaus freiliegenden Wurzelteilungsstelle des dreiwurzeligen oberen Reißzahnes. Aufgrund der neu entstandenen Schmutznische zwischen den Wurzeln entsteht ein nicht kontrollierbarer Entzündungsherd:
Parodontitis
Die häufigste Erkrankung in der Mundhöhle der Katze ist die Parodontitis. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Zahnhalteapparates, bei welcher das Zahnfleisch sich entzündet und der Stützapparat der Zähne verloren geht. Zu dem betroffenen parodontalen Stützapparat zählen neben dem Zahnfleisch der Kieferknochen, der Wurzelzement und die parodontalen Fasern, durch welche der Zahn im Zahnfach aufgehängt ist.
Eine Parodontitis beginnt in der Regel im Alter von zwei Jahren bei knapp dreiviertel aller Katzen und geht bei fehlender Zahnpflege häufig in eine hochgradige Entzündung über.
Auf dem vorstehenden Bild sieht man eine hochgradige Parodontitis im Unterkiefer. Aufgrund eines permanenten entzündlichen Reizes hat ein Abbau des Kieferknochens stattgefunden, auf welchen auch ein Rückgang des Zahnfleisches folgt.
Es bilden sich neue Schmutznischen vor allem in den Bereichen zwischen den Wurzeln eines Zahnes, wenn sich der Knochen aufgrund der Entzündung von dort zurückgezogen hat. Die Entzündung etabliert sich und die Zähne verlieren ihre Funktion. Weitet sich eine solche Entzündung auf benachbarte Schleimhautareale aus, kann die Futteraufnahme zur Qual werden.
Es gibt unterschiedliche Formen einer Parodontitis, die von langsamen, chronischen Verläufen bis hin zu einer hochakuten, schnellen Destruktion des Zahnhalteapparates mit hochgradiger Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens reichen.
Auf diesem Röntgenbild sieht man eine Paradontitis im Unterkiefer. Es hat ein genereller Knochenabbau stattgefunden, die Wurzeln stecken nur noch zur Hälfte im Kieferknochen. Die hintere Wurzel des Reißzahnes weißt Resorptionen auf.
Generalisierte Entzündungen der Mundhöhle finden sich in Zusammenhang mit solchen Parodontitiden oder aber auch auf Grundlage einer viralen Infektion, die es abzuklären gilt. Insbesondere bei FIV- oder FeLV-Erkrankungen können sich aufgrund des gestörten Immunsystems persistierende, therapieresistente Entzündungen entwickeln. Problematisch ist häufig das Zusammentreffen vieler zu einer Entzündung beitragenden Ursachen in der Mundhöhle, welches eine kausale Behandlung erschwert.
In 90% aller Fälle jedoch ist das Vorhandensein einer Unmenge von Bakterien in den weichen Zahnbelägen die Ursache für die Entstehung einer Parodontitis. Aufgrund dieser Bakterien, die sich in dickeren Belägen um so besser vermehren können, löst sich der einst dichte Verbund von Zahn- und Zahnfleisch. Schädigende Einflüsse können fortan auf Kieferknochen, Wurzelzement und Parodontalfasern einwirken.
Ab diesem Zeitpunkt ist eine reine Zahnsteinentfernung Augenwischerei, ohne Parodontalbehandlung mit Reinigung der Wurzeln kann man der Entzündung nicht Herr werden. Wichtig ist vor allem die konsequente Mitarbeit des Tierhalters, der mittels geeigneter Maßnahmen die Mundhygiene verbessern kann.
Das obige foto zeigt eine hochgradige Parodontitis eines oberen Fangzahnes. Die Wurzel ist vollständig mit Zahnstein und Belägen bedekct, in der Umschlagfalte fistelt der Prozess der Wurzel in die Mundhöhle. Die Nasenhöhle war aufgrund der Nähe zur Wurzel in den Prozess mit einbezogen.
Hier sieht man eine hochgradige Parodontitis mit entzündlichen Veränderungen des gesamten Zahnfleisches. Das Zahnfach des Oberkeiefercaninus ist völlig zerstört, der Zahn ist nur noch am (höchstgradig entzündeten) Weichgewebe mit dem Zahnhalteapparat verbunden.
Beeinträchtigung der Allgemeingesundheit
Ausgehend von dem chronisch-entzündlichen Geschehen an Zähnen und Kiefer werden weitere Organe mit einbezogen. Herzklappenfehler und chronische Leber- und Nierenerkrankungen sind bevorzugte Folgen nicht behandelter Herderkrankungen in der Mundhöhle.
Eine hochgradige Bakterielle Belastung der Mundhöhle sowie ein geschwächtes Immunsystem können zur Ausweitung parodontaler Entzündungen auf die übrigen Mundschleimhäute unter Einbeziehung des Rachens führen. Schmerzhafte Entzündungen im Rachenraum können die Futteraufnahme beeinträchtigen.
Prophylaxe und Behandlung
Einer Parodontitis kann vorgebeugt werden, auch wenn häusliche Zahnpflege bei der Katze sich nicht so einfach gestaltet wie beim Hund. Wenn es aber möglich ist, seiner Katze die Zähne zu putzen, so sollte man dieses tun. Denn dadurch bleiben nicht nur die Zähne gesund, man verhindert auch Folgeerkrankungen anderer Organe.
Ist Zähneputzen nicht möglich, so sollte in regelmäßigen Intervallen eine professionelle Zahnreinigung beim Tierarzt durchgeführt werden. Wie schon gesagt, umfasst dieses jedoch nicht nur das Entfernen von Zahnstein, sondern die Mitbehandlung der Wurzel.
Aufgrund der Häufigkeit der Problematik sollte bei Verdacht eine Sondierung betroffener Zähne erfolgen, um vergrößerte Taschentiefen feststellen zu können. Liegen diese vor, sollten in jedem Fall bei Behandlung unter Narkose Einzelzahnröntgenaufnahmen angefertigt werden, um die Erhaltungswürdigkeit der Zähne festzustellen, damit nicht letztendlich ein schädigender Einfluss zurückbleibt.
Die Parodontitis der Katze ist nur eine von möglichen Erkrankungen in der Mundhöhle der Katze, welche gesamt gesehen die häufigsten Krankheiten der Katze überhaupt sind (Ergebnis einer Studie mit 15 000 Katzen). Mithilfe eines aufmerksamen Besitzers sowie geeigneter Untersuchungsmaßnahmen durch den Tierarzt lassen sich viele dieser Erkrankungen erkennen und so behandeln, dass die Lebensqualität erhalten bleibt.
FORL - Feline Odontoklastische Resorptive Läsionen
FORL (Feline Odontoklastische Resorptive Läsionen an den Zähnen) zählen zu den schmerzhaftesten Erkrankungen der Katze, statistischen Erhebungen zufolge finden sie sich bei jeder dritten Katze, bei Tieren mit "Mundhöhlenproblematik" bei jeder zweiten. In der Regel sind mehrere Zähne betroffen.
Schon 1930 wurden diese Läsionen an den Zähnen der Katze entdeckt, gerieten jedoch über lange Zeit wieder in Vergessenheit. Erst in den 90er Jahren widmete man sich aufgrund steigender Häufigkeit und der stärkeren Einbindung der Katze in die Familie wieder vermehrt diesem Thema.
Was sind die Auslöser für FORL?
Auch bei Wild- und Großkatzen finden sich diese Zahnläsionen, allerdings nicht in der Häufigkeit wie bei ihren domestizierten Artgenossen. Auch der Mensch und der Hund weisen ähnliche Veränderungen auf, diese finden sich jedoch sehr selten.
Einen einzelnen, eindeutigen Auslöser dieser Erkrankung konnte man bisher nicht nachweisen. Am wahrscheinlichsten ist eine Störung im Calcium-Phosphor-Haushalt durch eine Vitamin D3 Überdosierung. Unter Verdacht stehen weiterhin chronische Entzündungen des Zahnhalteapparates, Viren, Störungen des Immunsystems, mechanischer Stress u.v.m.
Im Gegensatz zur Ursache ist die Entstehungsweise bekannt: Es kommt zu einer Aktivierung von körpereigenen Zellen, die sich zu Odontoklasten umwandeln. Hierbei handelt es sich um Zellen, die aktiv Zahnhartsubstanz (also Zement, Dentin oder Schmelz) auflösen. Dieser Prozess beginnt im Bereich der Zahnwurzel. Das bedeutet, der Beginn der Erkrankung ist dem Auge des Betrachters nicht zugänglich.
Weitet sich der Auflösungsprozess im Zahn aus, kann es zur Unterminierung der Zahnkrone kommen. Ausbrüche an Schmelz und Dentin der Krone sind dann in der Mundhöhle einer gründlichen Inspektion zugänglich. Erst finale Stadien mit riesigen Defekten sind offensichtlich, weil viele kleinere Defekte durch entzündetes Zahnfleisch oder aber Zahnstein verschleiert bedeckt sind.
Bei verdächtiger Symptomatik sollte Einzelzahnröntgenaufnahmen angefertigt werden, da nur sie weitestgehend überlagerungsfreie und detailgenaue Informationen liefern.
Auf dem obigen Bild sieht man große Kronendefekte mit hochgradiger Entzündung umgebender Schleimhaut an Oberkieferzähnen. FORL haben an beiden Zähnen die Pulpa eröffnet.
Im Röntgenbild ist das vollständige Ausmaß der Resortion von Zahnhartsubstanz noch deutlicher erkennbar.
Der häufige Befall der Wurzelteilungsstelle (Furkation) durch FORL ermöglicht an diesem Backenzahn die vollständige Penetration der Parodontalsonde.
Der FORL Defekt an der Furkation ist auch in der Höhe des Knochens abgebaut worden. Ohne Sonderung und ohne Röntgenbild wäre lediglich eine Entzündung des Zahnfleisches feststellbar gewesen.
Wie äußern sich FORL?
Wie groß die Schmerzhaftigkeit solcher Läsionen ist, lässt sich insbesondere für das Anfangsstadium nur schwer beurteilen. Kommt es jedoch zum Einbruch in die Pulpa („Nerv“), sollte von einer extremen Schmerzhaftigkeit ausgegangen werden, da sich die vitale Pulpa plötzlich im „Freien“ wieder findet. Die Schmerzen eines eröffneten Zahnes mit vitalem Nerv sollten auch ohne Selbstversuch plastisch genug vermittelbar sein. Dazu kommt, dass in der Regel gleichzeitig mehrere solcher Läsionen vorliegen.
Dieser Unterkiefercaninus zeigt einen auffälligen, punktuellen Schleimhautlappen am Zahnfleischrand, welcher sich im nachstehenden Röntgenbild als Spitze des Eisberges erweist. Die Wurzel des Caninus ist fast follständig aufgelöst (siehe Pfeile):
Unspezifische Symptome
Problematisch ist die Erkennung der Symptome, da diese häufig unspezifisch sind bzw. den Unerfahrenen nicht auf die Fährte der eigentlichen Erkrankung führen. Hierzu gehören in unterschiedlicher Kombination
- Änderung des Verhaltens bei der Futteraufnahme (Futterwechsel, vor dem Futter sitzen aber nichts oder nur wenig aufnehmen bis zur Futterverweigerung, Wiederfallenlassen des Futters, Aufschreien beim Fressen)
- Mundgeruch
- Vermehrtes Speicheln
- Zähneknirschen
- Kopfschieflegen und vieles andere mehr...
Auch eine einzelne kleine Läsion am kleinsten Zahn kann diese Effekte auslösen bei kaum sichtbaren Veränderungen der Krone.
Letztendlich: eine definitive Diagnose verdächtiger Zähne ist erst mittels Einzelzahnröntgenaufnahmen in Narkose möglich. In der Mundhöhle zeigen sich folgende Symptome:
- Zahnfleischentzündung von geringgradig bis hochgradig
- die Krone zum Teil bedeckendes, anscheinend „hochwachsendes“ Zahnfleisch
- Zahnkronendefekte
- Fehlende Zähne; meist nicht wirklich fehlend, sondern im Bereich des Zahnhalses abgebrochen. Es bleibt eine Schleimhauterhebung mit variierendem Entzündungsgrad.
An diesen Unterkieferzähnen zeigen sich zahnfleischrandnahe Kronendefekte bzw. lediglich entzündetes Zahnflesich. Alle drei Zähne sind von FORL betroffen.
Behandlung von FORL
Die Behandlung fortgeschrittener Läsionen besteht in der vollständigen Extraktion des Zahnes inklusive nicht resorbierter Wurzelanteile. Wurzelbehandlungen und Füllungen an solchen Zähnen sind aus dem Grunde zwecklos, dass die Läsionen im Wurzelbereich beginnen und diese Regionen von der Füllung nicht erfasst werden können. Eine unter Umständen weiter bestehende Schmerzhaftigkeit könnte ehedem nicht sicher ausgeschlossen werden.
Im Sinne einer Prophylaxe sollte eine gute Mundhygiene dazu dienen, die Entstehung von FORL durch Entzündungen nicht zu begünstigen. Eine medikamentelle Behandlung von Anfangsstadien im Rahmen einer Normalisierung des Calcium-Phosphor-Haushaltes ist in Erprobung.
Von infolge FORL abgebrochenen Zähnen bleibt lediglich eine Schleimhauterhebung sichtbar. Verbleibende Wurzelreste können eine Abheilung der Entzündung verhindern.
Bei Mundhöhlenproblemen sollten FORL als mögliche Ursache immer in Betracht gezogen werden. Eine genaue Untersuchung kann nur in Narkose mit Reinigung aller Zähne erfolgen, und die Erstellung von Einzelzahnröntgenaufnahmen ist in Verdachtsfällen immer notwendig. Aufgrund der Häufigkeit der FORL sowie ihrer Schmerzhaftigkeit ist das Risiko einer gut geführten Narkose jedoch beinahe immer vertretbar.
Mit freundlicher Genehmigung von:
Dr. Markus Eickhoff
Tierarzt und Zahnarzt
Tierärztliche Praxis für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Iptinger Str. 48
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Tel: 07044 9095966
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